Bilder aus Osterwieck

Land der Reformation

Die westlich-römische Kirche befand sich seit dem Investiturstreit zwischen Papst- und Kaisertum (11.-13. Jh.) in einem latent reformwürdigen Zustand. Die Notwendigkeit zur Reform der Gesamtkirche an „Haupt und Gliedern“ war nicht zuletzt durch das konkurrierende Papsttum (Schisma: ein Papst in Avignon und ein Papst in Rom, 1378 bis 1417) deutlich geworden.

Aber das Vorkommen von mehreren gleichzeitig amtierenden Päpsten war bereits vor dem 14. Jh. vorgekommen: König Heinrich III. setzte 1046 gleich drei Päpste ab und ließ dafür Suidger, Bischof von Bamberg, zum Papst ernennen. Suidger stammte aus der Familie „von Marsleben und Hornburg“ und nannte sich nun Papst Clemens II. Als Reformpapst setzte er sich für den Zölibat, die Pflicht zur Ehelosigkeit für den Klerus, in der römischen Kirche ein.

Suidger erhielt seine Ausbildung und Weihen im Bistum Halberstadt (Domkanoniker); zum Halberstädter Bistumsbereich gehörte auch Eisleben, der Geburts- und Sterbeort Martin Luthers, der den Zölibat wieder aufhob. In Mansfeld, ebenfalls zum Bistum Halberstadt gehörig, wuchs Martin Luther auf. Aus einem und demselben Bistum Halberstadt stammen also einer der Durchsetzer und der Aufheber des Zölibats.

 

Der Zölibat war aber nicht das einende Band im Kampf gegen das Papsttum, sondern dessen scheinbar unversiegender Geldbedarf. Über Reliquienhandel, Ablassvergabe und Ämterverkauf war in Rom für Geld alles zu haben. Seit 1508 studierte ein gewisser Martin Luther an der erst 1502 gegründeten Universität von Wittenberg. Als Augustinereremit und Priester pilgerte der Mönch Luther 1510 auf der via romea nach Rom. In Rom kroch betend Luther die Stufen des Laterans hoch, beobachtete aber auch den heuchlerischen Umgang mit den Pilgern.

Wieder zurück in Wittenberg entwickelte Luther eine eigenständige Sichtweise auf den Glauben. Seit 1512 besaß er eine Professur. Die Quelle seiner reformatorischen Kraft war die Bibel selbst: »Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht: Der Gerechte wird aus Glauben leben.« (Römer 1,17). Keine Sünde konnte durch Ablassverkauf aufgehoben werden. Allein die Gnade Gottes konnte einen Menschen befreien.

Ein weiterer Kritikpunkt war die „Simonie“ genannte Praxis des Ämterkaufs: Erzbischof Albrecht von Brandenburg war in einer Person Erzbischof von Magdeburg und Administrator des Bistums Halberstadt; darüber hinaus strebte er den Posten des Erzbischof von Mainz (und damit auch einen Kurfürstentitel) an, was nach kirchlichem, d. h. kanonischem Recht verboten war. Gegen eine Summe Geldes erhielt Albrecht von Brandenburg die Sondererlaubnis für diese Ämterhäufung (1514) … 1541 wurde Albrecht von seiner Festung Moritzburg in Halle vertrieben.

 

Am 4. September 1517 hatte Luther 97 Thesen gegen den Zustand der Kirche formuliert und sie seinen Dozenten-Kollegen zukommen lassen. Dieser interne wissenschaftlich-theologische Disput wurde zum Ausgangspunkt der späteren Reformation. Eine Kopie jener Thesensammlung wurde vor kurzem in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel gefunden.

Die, die Thesen lasen, verstanden schnell, welche Sprengkraft darin lag. Wie ein Lauffeuer wurden Luthers Schriften verbreitet. Es fanden sich Unterstützer und Förderer – allen voran Luthers Landesherr, Kurfürst Friedrich der Weise. Im Oktober 1518 verteidigte sich Luther auf dem Reichstag zu Augsburg, von der er vorsorglich floh und sogar auf der Flucht gekidnappt wurde, um zunächst einmal zu seinem Schutz auf der Wartburg versteckt zu werden. Auf der Wartburg entstand Luthers Übersetzung des Neuen Testaments ins „Deutsche“.

Philipp Melanchthon, Karlstadt und Thomas Müntzer gehörten zum Dozenten-Umfeld Luthers, in dem jeder eigene Wege ging. Thomas Müntzer stammte aus Stolberg im Harz, lebte u. a. in Quedlinburg und Aschersleben oder Glaucha bei Halle bzw. studierte in Leipzig und Frankfurt/Oder. 1523 nahm er eine Pfarrstelle in Allstedt an un dsprach in seinen Predigten udn Reden die sozialen Misstände seiner Zeit an. Die Buren/Bauern litten unter der gesellschaftlichen Ordnung und sahen in den Reformatoren Vorbilder zum Aufstand gegen die Opbrigkeit. Allein Müntzer hielt zu ihnen und wurde mit ihnen 1525 bei Bad Frankenhausen in einer Schlacht gegen das Fürstenheer geschlagen. Heute dokumentiert das Panorama-Museum von Bad Frankenhausen diesen Wendepunkt bäuerlicher Geschichte. Der Aufstand hatte das Halberstädter Bistum bis nach Drübeck und Ilsenburg erfasst.

 

Im Nordharzer Bereich hatte das Stift Gernrode bereits 1521 die Reformation übernommen. In Braunschweig waren 1521-1523 (St. Ägidien) und 1527 (Altewiek) erste protestantische Predigten zu hören. Der Braunschweiger Rat berief 1528 den Halberstädter Theologen Heinrich Winkel und den Wittenberger Stadtpfarrer Johannes Bugenhagen zur Einführung der Reformation nach Braunschweig. 1529 errichtete der Rat der Stadt Goslar ein im reformatorischen Sinne gegründetes Gymnasium. In Osterwieck wurde 1535 die Reformation eingeführt. Bürgermeister Michael Steggeler ließ 1533 an seinem Haus die erste Inschrift im reformatorischen Sinne anbringen. Im dortigen „Eulenspiegelhaus“ von 1534 wurde die Devise der Reformation als Hausinschrift eingeschnitzt: „VDMIAE“ = „Verbum Domini Manet in Aeternum“, gelichzeit die Devise der Landesherren Luthers. In keiner deutschen Stadt haben sich aus dem Jahrhundert der Reformation (1517-1918) so viele Dokumente protestantisch-bürgerlichen Selbstverständnisses erhalten wie in Osterwieck, das seit kurzem als „Stadt der Reformation“ gilt. 138 der bis heute erhaltenen historischen Fachwerkhäuser stammen aus der Zeit bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges und tragen zahlreiche Inschriften. Wer die Wirkung der Reformation auf das städtische Bürgertum erahnen möchte, kann dies in Osterwieck in ungeahnter Tiefe vornehmen. Schließlich entstand in Osterwieck der erste kirchliche Neubau im Geist der Reformation Luthers (1552-57).

 

Wittenberg, Mansfeld und Eisleben rüsten sich zum Jahrzehnt der Reformationsfeiern (2007-2017). Aber auch in Elze/Leine steht ein Luther-Denkmal oder stehen in Braunschweig und Hildesheim Bugenhagen-Denkmäler und zeigen damit an, dass auch weiter im Westen, in Osterwieck, Goslar, Braunschweig oder Hildesheim, das Land der Reformation lag.

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